RTVG-Revision – asoziale Kopfsteuer für eine subventionierte rückständige Medienkultur

eidgenossenschaftBern, 16.03.2015 – Am 14. Juni 2015 kann das Stimmvolk über die Änderung des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen (RTVG) abstimmen. Damit soll die heutige geräteabhängige Empfangsgebühr durch eine allgemeine Abgabe abgelöst und dem technologischen Wandel angepasst werden. Da die Finanzierung so auf mehr Schultern verteilt wird, kann die Abgabe für Radio und Fernsehen für die Haushalte von 462 auf rund 400 Franken pro Jahr gesenkt werden. Für die Unternehmen wird sie nach Umsatz abgestuft, wobei Firmen mit tiefem Umsatz keine Abgabe mehr zahlen müssen. Das neue System ist einfach und gerecht, betonte UVEK-Vorsteherin Doris Leuthard heute in Bern bei der Erläuterung der bundesrätlichen Haltung. Die RTVG-Revision stärkt ausserdem die lokalen Radio- und Fernsehstationen mit Service public-Auftrag.

Heute müssen Haushalte und Unternehmen, die über ein betriebsbereites Gerät für Radio oder Fernsehen verfügen, eine Empfangsgebühr bezahlen. Damit werden die SRG und lokale Radio- und Fernsehstationen mit Service public-Auftrag unterstützt. Diese Erhebungsart stammt aus einer Zeit, als es noch kein Internet gab. Inzwischen haben aber fast alle Haushalte und Unternehmen einen Internet-Zugang. Dank Handy, Tablet und Computer können Radio und Fernsehen auch ohne ein klassisches Radio- oder Fernsehgerät empfangen werden. Aufgrund dieser Entwicklung haben Bundesrat und Parlament entschieden, die geräteabhängige Gebühr durch eine allgemeine Abgabe zu ersetzen und das Bundesgesetz über Radio und Fernsehen (RTVG) entsprechend zu ändern.

Mit der RTVG-Revision wird die Finanzierung insgesamt breiter abgestützt. Dadurch kann die Abgabe für die Haushalte gesenkt werden: Diese zahlen für Radio und TV wie in der Botschaft an das Parlament dargelegt nur noch rund 400 statt 462 Franken pro Jahr. Für Unternehmen hängt die Abgabe vom Umsatz ab, wobei Unternehmen mit einem Umsatz von weniger als 500’000 Franken pro Jahr keine Abgabe entrichten müssen. Von dieser Freigrenze werden rund 75 Prozent profitieren, also drei Viertel aller Unternehmen. Für weitere rund 9 Prozent der Unternehmen wird die Abgabe bei 400 Franken pro Jahr liegen. Heute beträgt die Empfangsgebühr pro Betriebsstätte je nach Nutzung zwischen 612 und 1409 Franken pro Jahr. Da auch Unternehmen von Radio- und Fernsehangeboten profitieren, etwa von Wirtschaftssendungen oder Werbeplattformen, erachtet es der Bundesrat als richtig, dass sich wie bisher auch die Wirtschaft an der Finanzierung beteiligt.

Um Härtefällen Rechnung zu tragen, sieht die neue Regelung verschiedene Ausnahmen vor: Wer zur AHV/IV Ergänzungsleistungen erhält oder wer beispielsweise in einem Alters- und Pflegeheim, einem Erziehungs- oder Studentenwohnheim lebt, muss die Abgabe nicht zahlen. Wer kein Empfangsgerät hat, kann sich nach Einführung der Abgabe noch bis fünf Jahre davon befreien lassen (opting out). Dank der Umsatzgrenze von 500‘000 Franken müssen auch Gewerbebetriebe mit geringem Umsatz keine Abgabe zahlen. Der Systemwechsel erfolgt ertragsneutral und dient nicht dazu, den Gesamtertrag zu erhöhen.

Die neue Abgabe ist einfach und gerecht. Schwarzseher und Schwarzhörerinnen werden in die Pflicht genommen. Die Finanzierung wird auf mehr Schultern verteilt, weil heute praktisch alle Haushalte und Unternehmen Radio und Fernsehen empfangen können. Zudem sinkt der Erhebungsaufwand und aufwendige Kontrollen entfallen. Bei den Haushalten erfolgt die An- und Abmeldung neu automatisch gestützt auf das Einwohnerregister, bei den Unternehmen gestützt auf das Mehrwertsteuerregister.

Mit der RTVG-Revision werden ausserdem 21 Radio- und 13 Fernsehstationen mit lokalem Service public-Auftrag gestärkt. Heute erhalten diese insgesamt rund 54 Millionen Franken pro Jahr. Neu wird ihr Anteil um bis zu 27 Millionen Franken erhöht und sie werden bei der Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden und bei der Digitalisierung besser unterstützt. Darum befürworten auch deren Verbände die Revision. Die Gesetzesänderung verpflichtet die regionalen TV-Stationen, ihre Hauptinformationssendungen zu untertiteln. Damit erfolgt ein weiterer Ausbau des Angebots für hörbehinderte Menschen.

Der Service public von Radio und Fernsehen ist für Gesellschaft und Demokratie wichtig. Ein gutes Angebot in allen Sprachregionen stärkt nach Ansicht des Bundesrats den Zusammenhalt der Schweiz: Die SRG und die lokalen Radio- und Fernsehstationen mit Informationsauftrag berichten täglich über das nationale und lokale Geschehen. Davon profitieren alle – darum sollen auch alle, Bevölkerung und Wirtschaft, einen Beitrag dazu leisten.

Bei einem Ja des Stimmvolks zur RTVG-Revision wird sie voraussichtlich auf Mitte 2016 in Kraft gesetzt. Der Wechsel zur allgemeinen Abgabe erfolgt auf Mitte 2018 oder Anfang 2019.

Radiosendung „Espresso“ verletzt Sachgerechtigkeitsgebot

eidgenossenschaftBern, 13.03.2015 – Die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) hat eine Beschwerde gegen einen Beitrag des Konsumentenmagazins „Espresso“ von Radio SRF gutgeheissen. Beschwerden gegen die Sendungen „Rundschau“ und „Sternstunde Philosophie“ von Fernsehen SRF wies sie dagegen ab.

Im Rahmen ihrer öffentlichen Beratungen vom Freitag beriet die UBI über einen kritischen Beitrag des Konsumentenmagazins „Espresso“ von Radio SRF 1. Im Zentrum stand der Verkauf eines rund 600 Franken teuren Nahrungsergänzungsmittels an eine über 80-jährige Frau. Ein Konsumentenmagazin darf zwar Missbräuche im Telemarketing in anwaltschaftlicher Weise anprangern. Bei ihrer Prüfung kam die UBI jedoch zum Schluss, dass das Verkaufsgespräch im Beitrag unzutreffend wiedergegeben wurde. Weder versprach die Verkäuferin der Kundin eine „wundersame Heilung“ noch empfahl sie ihr „grobfahrlässig“ den Verzicht auf Medikamente. Journalistische Sorgfaltspflichten wurden verletzt, indem Radio SRF nicht transparent und fair über das Verkaufsgespräch berichtete. Die festgestellten Mängel beeinträchtigten den Gesamteindruck massgeblich und verunmöglichten der Zuhörerschaft, sich eine eigene Meinung über das thematisierte Verkaufsgespräch zu bilden. Die UBI hat deshalb die Beschwerde des betroffenen Telemarketingunternehmens mit 6:1 Stimmen gutgeheissen.

Einstimmig wies die UBI dagegen Beschwerden gegen die anderen an den öffentlichen Beratungen behandelten Sendungen ab. Im Beitrag „Neue Drohnen für die Schweiz“ berichtete das Politmagazin „Rundschau“ von Fernsehen SRF transparent über die kontroversen Meinungen von Schweizer Parlamentariern zur geplanten Beschaffung von israelischen Drohnen durch die Schweizer Armee. Eine etwas unglücklich eingebettete kritische Bemerkung eines Parlamentariers zu den Folgen der Anwendung von Drohnen im Nahostkonflikt stellte einen Mangel im Nebenpunkt dar. Dieser begründete aber ebenso wenig eine Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots wie die beanstandete einseitige Zusammensetzung der Diskussionsrunde bei der Sendung „Sternstunde Philosophie“ von Fernsehen SRF zum Thema „Nationalismus und Populismus – wohin steuert die Schweiz?“. Die Medienfreiheit und die Programmautonomie erlauben auch polit-philosophische Diskussionssendungen mit einem einseitigen Fokus, soweit dieser für das jeweilige Publikum erkennbar ist. Entsprechende Ausstrahlungen müssen im Gegensatz zu Wahl- und Abstimmungssendungen keine besonderen Anforderungen an die Ausgewogenheit erfüllen.

Entscheide der UBI können nach Eröffnung der schriftlichen Begründung beim Bundesgericht angefochten werden. Bei gutgeheissenen Beschwerden hat die betroffene Veranstalterin die UBI innert 30 Tagen über die getroffenen Massnahmen zur Behebung des Mangels bzw. zur Vermeidung ähnlicher Verletzungen in der Zukunft zu orientieren.

Die UBI ist eine ausserparlamentarische Kommission des Bundes. Sie besteht aus neun nebenamtlichen Mitgliedern und wird von Roger Blum präsidiert. Die UBI hat auf Beschwerde hin festzustellen, ob ausgestrahlte Radio- und Fernsehsendungen Bestimmungen über den Inhalt redaktioneller Sendungen verletzt haben oder eine rechtswidrige Verweigerung des Zugangs zum Programm vorliegt.