Verletzung der Meinungsäusserungsfreiheit in SRF-Kommentarspalten

Bern, 29.06.2023 – Die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI hat zum ersten Mal Beschwerden gegen die Nichtaufschaltung von Kommentaren in Online-Foren von Schweizer Radio und Fernsehen SRF beurteilt. Sie befand in mehreren Fällen, dass die Ablehnung der Kommentare vor dem Grundrecht der Meinungsfreiheit nicht standhält. Hingegen erachtete die UBI Beschwerden gegen Sendungen von Radio und Fernsehen SRF als unbegründet.

Das Bundesgericht hat mit Urteil vom 29. November 2022 entschieden, dass auch die Kommentarfunktion in Online-Foren von SRF zum übrigen publizistischen Angebot der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG gehört und bei Streitfällen der Rechtsweg über die Ombudsstelle und die UBI offensteht. Erst nach längerer und kontroverser Diskussion bejahte die Kommission an den heutigen öffentlichen Beratungen mit knapper Mehrheit (5:4) ihre diesbezügliche Zuständigkeit und trat auf entsprechende Beschwerden ein. Ein regelmässiger Schreiber hatte gerügt, dass mehrere seiner Kommentare durch die Community-Redaktion von SRF nicht aufgeschaltet worden seien. Letztere berief sich dabei jeweils auf die unternehmenseigene Netiquette und begründete die Nichtaufschaltung meist damit, dass es sich um nicht überprüfbare Unterstellungen bzw. Behauptungen gehandelt habe. Die UBI prüfte im Einzelfall, ob die Voraussetzungen für eine Einschränkung des Grundrechts der Meinungsäusserungsfreiheit gegeben waren. In sieben Fällen kam sie zum Schluss, dass dies nicht zutraf und hiess die entsprechenden Beschwerden deshalb gut. Einstimmig abgewiesen hat die UBI dagegen die Beschwerde des gleichen Schreibers gegen die Nichtaufschaltung eines Kommentars wegen persönlichen Angriffen gegen einen anderen Nutzer. Knapp (5:4 Stimmen) wurde auch seine Beschwerde gegen die sechsmonatige Sperre seines Kommentarkontos abgewiesen, welche die Redaktion nach einer expliziten Verwarnung wegen wiederholten verbalen Angriffen gegen SRF-Mitarbeitende ausgesprochen hatte (b. 945/949). 

Gegenstand einer Popularbeschwerde bildete die Berichterstattung von Fernsehen SRF zur Organspende während eines längeren Zeitraums. Der Beschwerdeführer rügte, diese sei einseitig gewesen, weil die kritischen Aspekte von Organspenden nicht zum Ausdruck gekommen seien. In der Beratung wurde jedoch hervorgehoben, dass es in den betreffenden Beiträgen nicht primär um das Pro und Contra zur Organspende ging und das Publikum aufgrund der kürzlichen Volksabstimmung zur Änderung des Transplantationsgesetzes (u.a. Annahme der Widerspruchslösung) über einiges Vorwissen zum Thema verfügt hatte. Weder das Sachgerechtigkeits- noch das Vielfaltsgebot wurden verletzt. Die UBI wies die Beschwerde einstimmig ab (b. 950). 

Radio SRF strahlte in der Informationssendung „HeuteMorgen“ vom 1. Februar 2023 einen Beitrag über eine Studie zu Tempo 30 in Städten aus, die vom Verkehrsclub der Schweiz VCS in Auftrag gegeben worden war. In einer dagegen erhobenen Popularbeschwerde eines FDP-Politikers wurde gerügt, der Beitrag sei nicht ausgewogen. Auch diese Beschwerde wurde einstimmig abgewiesen: Die korrekte Darstellung der Fakten und die transparente Gestaltung des Beitrags ermöglichten der Zuhörerschaft, sich eine eigene Meinung im Sinne des Sachgerechtigkeitsgebots zu bilden (b. 951). 

Abgewiesen hat die UBI schliesslich mit acht zu eins Stimmen auch eine Beschwerde gegen die am 3. März 2022 ausgestrahlte Ausgabe „Fake news, une pandémie de mensonges“ der Sendung „Temps Présent“ von Fernsehen RTS (b. 943). Näheres zum entsprechenden Beschluss der UBI kann der französischsprachigen Medienmitteilung zu den heutigen öffentlichen Beratungen entnommen werden. 

Die UBI ist eine ausserparlamentarische Kommission des Bundes, die von der Rechtsanwältin und Kommunikationsberaterin Mascha Santschi Kallay präsidiert wird. Sie besteht aus neun nebenamtlich tätigen Mitgliedern und einem dreiköpfigen Sekretariat. Die UBI hat auf Beschwerde hin festzustellen, ob ausgestrahlte Radio- und Fernsehsendungen schweizerischer Programmveranstalter oder Publikationen aus dem übrigen publizistischen Angebot der SRG (z.B. Online-Inhalte) Bestimmungen des Radio- und Fernsehrechts verletzt haben oder ob eine rechtswidrige Verweigerung des Zugangs zum Programm bzw. zu einer Publikation vorliegt. Entscheide der UBI können nach Vorliegen der schriftlichen Entscheidbegründung beim Bundesgericht angefochten werden.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.